Dezember 22

Fahrtenbuch für gesamten Fuhrpark nur, wenn mit allen Fahrzeugen unaufklärbare Verstöße zu erwarten sind

VG Mainz (Beschl. v. 02.12.2015, Az. 3 L 1482/15)

Gegen den Halter eines Kfz kann gem. § 31a StVZO grundsätzlich eine Fahrtenbuchauflage verhängt werden, wenn mit dem Fahrzeug Verkehrsverstöße begangen wurden und die Feststellung des Fahrzeugführers nicht möglich war. Eine Fahrtenbuchauflage für alle Fahrzeuge eines Halters ist jedoch nur im Ausnahmefall zulässig und zwar dann, wenn nicht aufzuklärende Verkehrsverfehlungen auch mit diesen Fahrzeugen zu befürchten sind.

Im konkreten Fall war ein Handwerksbetrieb in der Rechtsform einer GmbH Halterin von sechs Betriebsfahrzeugen. Mit einem der Fahrzeuge wurde eine schwerwiegende Verkehrsordnungswidrigkeit begangen. Nachdem der verantwortliche Fahrer nicht festgestellt werden konnte, wurde durch die zuständige Verwaltungsbehorde eine Fahrtenbuchauflage für alle Fahrzeuge des Unternehmens verhängt und zudem die sofortige Vollziehung der Maßnahme angeordnet. Hiergegen wandte sich der Handwerksbetrieb als Antragstellerin im einstweiligen Rechtsschutzverfahren. Im daraufhin ergangenen Beschluss hat das Verwaltungsgericht entschieden, dass lediglich die Auflage zum Führen eines Fahrtenbuches für das Fahrzeug, mit welchem der konkrete Verkehrsverstoß begangen wurde, rechtmäßig sei.
Der Fahrer des Fahrzeuges hätte im Regelfall anhand von Lichtbild und Geschäftsunterlagen ermittelt werden können, was jedoch letztlich an der Mitwirkung der Antragstellerin scheiterte. Der Eilantrag der Antragstellerin sei trotz alledem begründet, die Fahrtenbuchauflage für die weiteren Fahrzeuge nicht verhälnismäßig und damit rechtswidrig. Die Verhälnismäßigkeit einer derart weitreichenden Maßnahme sei nur gegeben, wenn die zuständige Ordnungsbehörde ausreichende Ermittlungen zu Art und Umfang des Fuhrparks angestellt und anschließend eine Prognose getroffen habe, ob zukünftig mit jedem der Fahrzeuge des betroffenen Halters Verkehrsverfehlungen zu befürchten seien. Dies war hier im Rahmen des Verwaltungsverfahrens nicht geschehen.

Oktober 26

Erhöhte Hundesteuer für gefährliche Hunde

VG Schleswig (Urt. v. 06.10.2015, Az. 4 A 32/15)

Nach einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Schleswig darf eine Gemeinde für Hunde, welche als Kampfhunde oder gefährliche Hunderassen eingestufte sind, deutlich erhöhte Steuern festsetzen.

Im konkreten Fall hatte ein Hundebesitzer geklagt, weil er für sein Tier statt der regelmäßigen Steuer von 96 EUR einen jährlichen Betrag von 1.200 € zahlen sollte. Das Gericht bestätigte die in der Rechtsprechung anerkannte Befugnis der Kommunen die Steuer zu Lenkungszwecken deutlich höher anzusetzen.
Nach Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes (Urt. v. 15.10.2014, Az. 9 C 8.13) kann eine wesentlich erhöhte Hundesteuer für Kampfhunde unzulässig sein. Entscheidend ist, ob diese Steuer eine erdrückende Wirkung entfaltet, was nach Ansicht der Bundesrichter dann der Fall ist, wenn sie den durchschnittlich Aufwand für das Halten eines Hundes deutlich übersteigt.
Das Verwaltungsgericht Schleswig hat diese oberste Rechtsprechung in seine Entscheidung einbezogen, eine erdrosselnde Wirkung jedoch verneint. Diese sei nicht gegeben, da der reguläre Steuersatz nur um das 12.5 fache überschritten werde. Bei der Entscheidung des BVerwG lag eine Überschreitung um den 26 fachen Betrag vor. Zudem sah das VG Schleswig keine erdrosselnde Wirkung, da die Steuer i.H.v. 1.200 EUR die durchschnittlichen jährlichen Haltungskosten von mindestens 1.000 EUR nicht deutlich überschritten.

Wegen der erheblichen Bedeutung der Angelegenheit wurde die Berufung gegen die Entscheidung zugelassen. Es bleibt abzuwarten, ob der Kläger Rechtsmittel einlegt und wie sich ggf. das OVG Schleswig-Holstein in diesem Fall zu den Voraussetzungen einer erdrückenden Wirkung positioniert.

Oktober 1

BGH: Unterhaltspflicht durch Zustimmung zur künstlichen Befruchtung

BGH. Urt. v. 23.09.2015, Az.: 12 ZR 99/14

Der für Familienrecht zuständige Senat des Bundesgerichtshofes hat durch Urteil vom 23.09.2015 entschieden, dass die Zustimmung eines Mannes gegenüber seiner Partnerin zur künstlichen Befruchtung mit Fremdsperma einen Vertrag darstellt, welcher den Anspruch auf Unterhaltsleistungen an das hierdurch gezeugte Kind begründet.

Die Parteien unterhielten über mehrere Jahre eine intime Beziehung. Die Klägerin hegte seit langem einen Kinderwunsch, welcher aufgrund der Zeugungsunfähigkeit des Beklagten jedoch nicht erfüllt werden konnte. Daraufhin entschied sich die Klägerin für eine heterologe Insemination mit Fremdsperma. Dem stimmte der Beklagte schriftlich zu und erklärte sich dazu bereit für die Folgen einer Schwangerschaft aufzukommen und die Verantwortung für das Kind zu übernehmen.

In dieser Zustimmung sahen die Richter einen Vertrag zwischen den Parteien zugunsten des Kindes, mit welchem der Beklagte dazu verpflichtete die Vaterstellung einzunehmen. Hieraus ergebe sich dessen Pflicht, so wie ein rechtlicher Vater für den Unterhalt des Kindes zu sorgen. Dass die Erklärung des Beklagten lediglich auf einem Vertretungsschein des Arztes notiert war, hat nach Auffassung der Richter keine Auswirkung, da eine besondere Form der Zustimmung nicht erforderlich sei.

Für die Praxis bedeutet das, dass die Zustimmung eines Partners zur Fremdinsemination, egal in welcher Form, eine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind begründen kann. Bei einer mündlichen Zustimmung wäre diese dann jedoch von deren Nachweisbarkeit abhängig.

September 25

Privatanrufe vom Arbeitsplatz erlaubt, Telefongewinnspiele nicht

Landesarbeitsgericht Düsseldorf , Urt. v. 16.09.2015, Az.: 12 Sa 630/15

Die Erlaubnis des Arbeitgebers vom Arbeitsplatz private Telefonate zu führen beinhaltet nach Auffassung des LAG Düsseldorf nicht die Teilnahme des Arbeitnehmers an kostenpflichtigen Telefongewinnspielen. Ein Verstoß hiergegen rechtfertige jedoch keine fristlose Kündigung.

Das Gericht führt in seiner Begründung aus, dass in der Erlaubnis zu privaten Gesprächen grundsätzlich der Anruf kostenpflichtiger Sonderrufnummern nicht enthalten sei. Die Pflichtverletzung der Arbeitnehmerin durch mehrfache Nutzung von Sonderrufnummern sei jedoch nicht so schwerwiegend, dass sie eine fristlose Kündigung rechtfertigen könne. Dies sei u.a. dem Umstand geschuldet, dass es keine konkrete Regelung gab, welche die private Nutzung erlaubte, den Anruf kostenpflichtiger Sonderrufnummern hingegen untersagte. Ebenso wirke sich aus, dass die Telefonate während der Pausenzeiten geführt wurden und somit kein Arbeitszeitbetrug vorliege.

Welche Folgen hat diese Entscheidung?
Auch wenn die Entscheidung zu Gunsten der Arbeitnehmer ausgefallen ist, bleibt im Hinblick auf die private Nutzung des Telefonanschlusses am Arbeitsplatz Vorsicht geboten. Im Zweifel sollten Arbeitnehmer vorab eine Klärung mit dem Arbeitgeber herbeiführen.

August 31

Rauchen ist nicht als betriebliche Übung geschützt

Landesarbeitsgericht Nürnberg, Urt. v. 05.08.2015, Az.: 2 Sa 132/15

Ein Arbeitnehmer, der seinen Arbeitsplatz zum Rauchen verlassen durfte, ohne dass die Pause genau durch den Arbeitgeber registriert, die Pausenzeiten aber durch den Arbeitgeber vergütet wurden, kann nicht darauf vertrauen, dass dies so bleibt.

Im konkreten Fall hatte ein Raucher geklagt, der über mehrere Jahre regelmäßig seinen Arbeitsplatz zum Rauchen verließ ohne dass die Pausen durch eine Stechuhr erfasst wurden. Demnach erfolgte für die Pausenzeiten auch kein Abzug vom Lohn. Nun hatte der Arbeitgeber zwischenzeitlich die Erfassung der Arbeitszeiten per Stechuhr eingeführt, so dass auch die Pausen exakt erfasst und nicht mehr vergütet wurden. Der Arbeitnehmer vertrat mit seiner Klage die Ansicht, die Vergütung von Raucherpausen sei betriebliche Übung geworden, so dass auch weiterhin eine Vergütung für die Pausen zu erfolgen habe.

Diese Argumentation teilte das Landesarbeitsgericht nicht und sprach sich gegen die Bindung des Arbeitgebers in Form einer betrieblichen Übung aus. Zunächst könnten Raucher in Anbetracht des erheblichen Umfangs von Raucherpausen von 60-80 Minuten täglich nicht darauf vertrauen, dass für diese umfangreiche Zeitspanne eine Bezahlung erfolge. Die Bezahlung der Pausen sei nicht als materielle Zuwendung anzusehen, welche zum Zweck erfolgt, die wirtschaftliche Lage der Arbeitnehmer zu verbessern. Stattdessen, erhielten Raucher, sofern die Pausen nicht erfasst würden lediglich mehr Freizeit. Bei der Gewährung von zusätzlicher Freizeit sei jedoch für die Einordnung als betriebliche Übung große Zurückhaltung geboten. Zudem führe eine derartige Praxis dazu, dass Nichtraucher gegenüber Rauchern unangemessen benachteiligt würden. Durchschnittlich müssten Nichtraucher für gleiche Entlohnung etwa 10% mehr Arbeitsleistung erbringen. Insoweit könne also kein Vertrauensschutz der rauchenden Arbeitnehmer bestehen.

August 3

Verkehrsuntüchtigkeit eines alkoholisierten Fußgängers lässt Betriebsgefahr von Kraftfahrzeugen vollständig zurücktreten

OLG Hamm, Urt. v. 17.04.2015, Az.: 9 U 34/14

Das Oberlandesgericht Hamm hat die Schadenersatzklage eines stark alkoholisierten Fußgängers abgewiesen, welcher sich an einen anfahrenden LKW stützte und in der Folge zwischen dessen Hinterachsen geriet.
Zur Begründung führten die Richter aus, dass die erhebliche Alkoholisierung von 2,49 Promille in einem solchen Maß für den Unfall mit dem Lastwagen ursächlich gewesen sei, dass die Haftung allein aus der Betriebsgefahr des LKW vollständig hinter dem Verschulden des Fußgängers zurücktreten müsse.

Im konkreten Fall konnten keine weiteren Aspekte festgestellt werden, aus denen sich ein über die Betriebsgefahr hinausgehendes Verschulden des Kraftfahrers herleiten lies. Daher genügte seitens des Fußgängers die maßgebliche Eigengefährdung in Form eines Verstoßes gegen das allgemeine Rücksichtnahmegebot, sowie dessen Verkehrsuntüchtigkeit in Folge der erheblichen Alkoholisierung, um ein überwiegendes Verschulden des Geschädigten zu begründen und einen Schadensersatzanspruch auszuschließen.